Fettstoffwechsel und nüchtern Laufen – ein Muss für alle Athleten?

Es klingt fast wie ein Märchen: Alle Jahre wieder..

Gemeint sind nicht die Erzählungen aus einer Fantasiewelt.. oder doch?

Hört man Ausdauerathleten (bitte versteht das Wort „Athlet“ hier als geschlechterübergreifend) zur Zeit zu, fällt nach sehr kurzer Zeit der Begriff „Nüchterntraining“ oder es wird vom „nüchtern Laufen“ erzählt.

Was steckt denn nun dahinter? Wunderwaffe beim Training oder doch nur ein weiterer Hype?

Was ist „low carb“ Training und was nicht

Bevor wir hier über den Nutzen und mögliche Risiken sprechen, sollten wir zunächst einmal klären, was das „nüchtern Laufen“ beziehungsweise das „low carb“-Training eigentlich ist.

Bisher habe ich die Erfahrung gemacht, dass Athleten meistens nur die Form kennen: Nach dem Aufstehen ohne Frühstück loslaufen oder Radfahren. Davon wird sich in der Regel versprochen, dass der Fettstoffwechsel besser trainiert wird und daher im Wettkampf die gespeicherten Kohlehydrate länger zur Verfügung stehen.

Grundsätzlich ein guter Gedanke: ich habe nur eine begrenzte Menge an Kohlehydrate (KH) im Körper gespeichert, ich kann nur eine begrenzte Menge über Nahrung und Flüssigkeit nachführen, also versuche ich meinen Energiebedarf zu einem möglichst hohen Anteil über die Verstoffwechselung von Fetten zu decken.

Woher kommt die Energie?

Leider müssen wir hier kurz einmal in die Energiebereitstellung beim Menschen eintauchen. Es wird kurz, keine Sorge (wer hierzu mehr erfahren möchte, bitte schaut in einem Buch/Home zu den Energiesystem im menschlichen Körper nach).

Jede Bewegung, jede Muskelkontraktion verbraucht Energie. Also Atmen und Herzschlag genauso, wie Laufen, Radfahren oder andere Bewegungsformen. Unser Körper ist ziemlich clever aufgebaut und kann diesen Energiebedarf auf 2 grundsätzlichen Wegen deckeln: der Umsatz von Kohlehydrate und der Umsatz von Fetten. Sowohl Kohlehydrate, wie auch Fett sind in unserem Körper gespeichert. Die Hauptmenge liegt hier jedoch in den Organen.

Um es ganz kurz und grob zu beschreiben, ist der Weg über die Fette etwas langsamer und benötigt mehr Sauerstoff, der Weg über die Kohlehydrate ist etwas schneller.

Es ist daher leicht vorstellbar, dass bei intensiven Belastungen schnell Energie zur Verfügung stehen muss. Je höher die Intensität, umso mehr wird die Energie aus den Kohlehydratspeicher verwendet.

Und genau hier liegt ein Schlüssel bei der Betrachtung von solchen Trainingsformen wie nüchtern Laufen oder allgemein „low carb“ Training: es ist keine schwarz-weiss Situation. Also werden auch KH verbraucht, wenn ich in niedriger Intensität laufe und einen Großteil der Energie aus den Fetten gewinnen kann. Umgekehrt ist auch der Fettstoffwechsel relativ lange bei höheren Intensitäten aktiv, jedoch nur noch in einem sehr kleinen Anteil vom Gesamtenergiebedarf.

Da wir also diesen unglaublich coolen Körper haben, ist dieser in der Lage sich anzupassen und es ist möglich seine Energiesysteme so zu trainieren, dass ich einen höheren Anteil der Energie aus Fetten gewinne und dieser Stoffwechselweg auch bei höheren Intensitäten noch einen zählbaren Anteil der Energie liefert. (Einen aktuellen Status kann euch eine Leistungsdiagnostik mit indirekter Kalorimetrie liefern).

 

Klassische Fehler/Risiken

Nach unserem kurzen Ausflug in die Welt der Energiebereitstellung kommen wir zurück zu den oben angesprochenen Athleten und schauen uns an, wie da sehr oft von dem nüchtern Laufen gesprochen wird.

Beispiel A:

„Bin extra früh aufgestanden und hab dann meine normale Runde im Tempo wie immer gelaufen. Hat sich aber nicht gut angefühlt und danach war ich für den ganzen Tag platt…“

Grundsätzlich ist der Zeitpunkt eine Variante des „low carb“ Trainings: morgens vor der Aufnahme der ersten Energie. Was hier jedoch nicht gepasst hat, war die Steuerung nach Tempo. Der Körper sollte ein Tempo und damit einen Energieaufwand leisten, wie er ihn sonst mit verfügbaren KH kennt und kann. Jetzt diese Leistung zu erbringen mit deutlich reduzierten KH und alleine über den Fettstoffwechsel war ihm nicht möglich. Die Einheit war schlicht zu Intensiv. Hier ist das Lauftempo nicht die richtige Steuerungsgröße für den Lauf.

Beispiel B:

„Ich hatte heute Intervalle auf dem Rad. Bin das mal nüchtern gefahren, weil ich ja noch gleichzeitig den Fettstoffwechsel dabei trainiere..“

Hier müssen wir wirklich mal aufräumen. Intervalle und nüchtern passen gar nicht zusammen. Bitte lasst solche Einheiten. Intervalle trainieren, je nach Ausführung eure maximale Sauerstoffaufnahme, neuronale Muskelansteuerung. Dabei wird immer schnell Energie benötigt. Die Energieverfügbarkeit ist die Grundvoraussetzung, damit solche Einheiten auch funktionieren. Bei der Situation wie oben geschildert dürfte die Einheit abgebrochen oder nicht ganz erfüllt worden sein. Was hier noch kritischer sein kann, ist die Tatsache, dass bei einer intensiven Belastung ohne ausreichende KH-Verfügbarkeit der Körper andere Stoffe heranzieht, um die Energie zu erzeugen. Auf Dauer können hier auch Muskelgewebe angegriffen werden. Sicher wird bei so einer starken „Hungerast“ das Immunsystem sehr stark beansprucht (Infektionsgefahr!) und die Adaption der Trainingsreize wird unterbunden. Bilanz dieser Einheit: Immunsystem runter, kein Trainingseffekt, miese Laune bei abgebrochener Einheit, Motivation fraglich.

Solche Einheiten bitte nicht durchführen.

 

Wie geht’s besser?

Um zu verstehen, wie ein „low carb“ Training gut funktioniert, hier zunächst einmal Grundsätze, die hier besonders wichtig sind:

  • Kenne deine Pulsbereiche
  • Vergiss dein Tempo in der Einheit, es geht nur nach Dauer und Puls
  • Es ist eine Grundlagen-Einheit, Intervalle sind hier fehl am Platz
  • „low carb“ und kein „no carb”
  • “Fette verbrennen im Feuer der Kohlehydrate“

Was ist damit also gemeint?

„kenne deine Pulsbereiche“ – Damit wirklich die Energiebereitstellung verstärkt über Fett geschehen kann, muss genug Sauerstoff in den Mitochondrien (den Kraftwerken in den Zellen) vorhanden sein. Übersetzen wir jetzt „genug Sauerstoff“ in einen Pulsbereich, dann landen wir im aeroben Ausdauerbereich, auch bekannt als GA1.

„Vergiss dein Tempo“ – Wenn du in dieser Einheit dein übliches Tempo läufst, wirst du zu intensiv unterwegs sein und statt der Fett auch die letzten Kohlehydratspeicher leer machen. Du trainierst erst noch die Energiebereitstellung über Fette. Also bist du nicht so leistungsfähig, wie mit einem Turbotreibstoff Kohlehydrate. Deshalb ist in dieser Einheit nur der Puls dein Steuerungsinstrument.

„Grundlageneinheit“ – Versuche intensive Einheiten nüchtern/“low carb“ durchzuführen werden zu nichts führen. Für den Trainingseffekt intensiver Intervalle fehlt die Energie, für ein Training der Energiebereitstellung über Fett ist es zu intensiv. Gewinner: niemand.

„low carb“ und kein „no carb” – vieleicht ist dir aufgefallen, dass bisher hier immer nur von „low carb“ die Rede war. Es geht in dieser Trainingsform also darum primär über Fettoxidation die Energie zu gewinnen. Das funktioniert jedoch nur mit einer gewissen Menge von verfügbaren KH (die wissenschaftliche Erklärung, wie und was in den Zellen passiert, erspare ich euch). Daher kannst du sehr schön deinen Fettstoffwechsel trainieren, indem du deinem Körper eine kleine Menge KH zur Verfügung stellst.

Beispiele für eine gelungene Umsetzung

Für alle, die bis hier hin gelesen haben, kommt jetzt die Frage auf:

Wie kann ich denn effektiv den Fettstoffwechsel trainieren?

Option 1: Klassisches Nüchterntraining

Es spricht rein gar nichts gegen ein klassisches Training am morgen. Dabei solltest du deinen Puls als Steuerungsgröße nehmen und strikt im GA1-Bereich trainieren. Intervalle gehören hier nicht hin und für den Altersklassen-Athlet reichen 45-60 Minuten um den Fettstoffwechsel auf Touren zu bringen.

Option 2: Double day

Das ist eine Option, die etwas mehr Organisation erfordert, jedoch gerade für Läufer interessant ist. Der Tag startet mit einer ersten Sport- oder Laufeinheit. Danach geht’s zur Arbeit, in die Uni was auch immer. In der Zeit dürft und sollt ihr euch verpflegen. Die zweite Einheit am Nachmittag wird aber mit vorentleerten KH Speichern gestartet. Dabei gilt für die zweite Einheit eine etwas weniger strenge Forderung von „nur GA1“.

Warum bietet sich diese Einheit für Läufer an? Den langen Lauf am Anfang des Jahres zu splitten ist nicht nur sinnvoll für das Training der Energiesysteme, sondern reduziert das  orthopädische Verletzungsrisiko deutlich.

Option 3: Nur Wasser

Solltest du nicht zu den Frühsportlern gehören oder es passt zeitlich nicht zweimal am tag zu trainieren, kannst du deine Nachmittagseinheit auch so gestalten, dass du dich nur mit Wasser versorgst. Dabei darf in den ersten 45-60min auch die eine oder andere Intensität sein, jedoch würde ich keine VO2max-/Intervalleinheit oder 5-Stunden Ausfahrt empfehlen so zu gestalten. Je nach Trainingszustand darf bei einer solchen Einheit eine kleine Menge KH (ca. 30g/Std KH) nachgeführt werden und die Gesamtdauer der Einheit würde ich auch 2,5-3 Std begrenzen. Nach einer solchen Einheit ist das Einleiten der Erholung mit Proteinen und KH direkt nach der Trainingseinheit enorm wichtig.

Immer öfter werden auch so Begriffe wie „recover low“ oder „sleep low“ im Zusammenhang zur Optimierung des Fettstoffwechsels genannt. Hier solltest du jedoch aus mindestens drei Gründen vorsichtig sein:

  • Was ist genau gemeint vom Benutzer dieser Begriffe?
  • Die Studienlage zu einer Erholungszeit nach Trainingseinheiten mit einem KH Defizit ist aktuell noch nicht eindeutig.
  • KH Defizit in einer Erholungszeit vergrößert das Risiko einer Infektion („Open Window“) und stellt damit ein Risiko für ein regelmäßiges Training dar.

Zum Abschluss hier meine Empfehlungen:

Fettstoffwechsel soll und muss trainiert werden, vor allem wenn du längere Wettkämpfe planst. Die drei Optionen oben bieten dir eine gute Möglichkeit hier zu arbeiten. Bevor die wilde Sachen probierst, gehe das Thema lieber einmal pro Woche mit den oben genannten Optionen an. Diese korrekt durchzuführen ist genug Aufgabe und wenn dies gut klappt, wird dich die Regelmäßigkeit sehr gut voranbringen.

Viel Spass beim Training, gib auf dich acht und bleib gesund,

Andi